Jazz: Vieldeutig wie einst Miles Davis
Trompeter Lorenz Raab mit seiner famosen XY-Band im Porgy & Bess.
Trompete, Schlagzeug, zwei Kontrabässe, eine elektronisch verstärkte Zither: In dieser exzentrisch besetzten Band könnte eigentlich jeder Leader sein, Christoph Dienz, der seiner Zither verwegen progressive Klänge abtrotzt, die Bassisten, die höllisch groovten und himmlisch schwelgten, Drummer Herbert Pirker, bei dem die Fäden zusammenlaufen…
Tatsächlich Leader der XY-Band ist Lorenz Raab, 1975 in Linz geboren, Solotrompeter in der Volksoper, damit finanziell unabhängig vom Jazz. Seine geistige Unabhängigkeit hat er bereits in Bands wie Forms of Plasticity oder Bleu bewiesen. Von Bleu erscheint im Jänner das sehr lyrische Album „Strong Relation“. Die XY-Band besticht indes durch die Ungezwungenheit, mit der sie in gefährlich klingende Soundwelten abtaucht, in denen sanfte Texturen in köchelnde Grooves übergehen, letztlich fast nervenzersetzend werden. Es liegt am Hörer, ob er lieber die Elemente des Cool, der Fusion, des Funk oder gar eines akustischen Drum’n’Bass erlauschen will. Die luftigen Stücke der XY-Band sind ohne Substanzverlust vieldeutig. Diese Eigenschaft schreibt man sonst nur Trompetenjazz mit der Signatur der Allergrößten zu: Lee Morgan, Donald Byrd, Miles Davis.
Raab drückte sich an den Bühnenrand, gab seinen Kollegen viel Spielraum. Wenn er sein Horn an die Lippen nahm, dann koste er das Mundstück, schien manchmal die Töne eher aus der Trompete zu saugen, als in sie zu blasen. So taumelte dieses famose Ensemble durch Fiebertraum und Ekstase. sam
© DiePresse.com, 30.12.2009 | 18:44 | (Die Presse)