Raab plays Wheeler

RAAB PLAYS WHEELER

Es ist ein besonderes Treffen:
Auf der einen Seite das preisgekrönte, international renommierte
HUGO WOLF QUARTETT als Link zur zeitgenössischen Kammermusik, auf der anderen die Jazzkoryphäen LORENZ RAAB und MARTIN REITER als Garanten für spontane und frei gestaltende Schaffenskraft. Gemeinsam widmen sie sich der Musik des kanadischen Trompeters Kenny Wheeler, der sich in späten Jahren nach Dekaden als Komponist und Meister der poetischen Improvisation der Klangwelt des Streichquartetts zuwandte.

Im Jahr 2008 erschien Kenny Wheelers Album „Other People“. Für den Kanadier war es neben Duo-Aufnahmen mit dem Pianisten John Taylor und verschiedenen wechselnden Band-Variationen eines der Experimente, die er sich nach mehr als 30 Jahren Zusammenarbeit mit dem Label ECM für seine neuen italienischen Partner von Cam Jazz aufgehoben hatte. Es war ein Album mit Musik für Streichquartett, Klavier und Trompete, eine kammermusikalisch lyrische, im Kern postromantische Näherung an eine Klangwelt, die die Komponisten der vergangenen zwei Jahrhunderte zu immer neuen Höhenflügen herausgefordert hatte. Im Studio mit dabei war das österreichische Hugo Wolf Quartett, dessen erster Geiger Sebastian Gürtler zu den Orchesterkollegen von Lorenz Raab an der Wiener Volksoper gehörte, bevor er beschloss, sich vorrangig der Arbeit im eigenen Streichensemble zu widmen. Wheeler – Gürtler – Raab, der Kreis schloss sich, wenn auch mit zeitlichem Abstand.

„Sebastian Gürtler hatte mir damals von den Aufnahmen erzählt“, erinnert sich Lorenz Raab an seine eigene Geschichte des Projektes. „Ich fand das sehr spannend, zumal ich Kenny Wheelers Arbeit sehr bewunderte und sogar die Gelegenheit hatte, bei einem Workshop mit ihm zu kooperieren. Aber dann standen viele andere Sachen im Vordergrund und ich vergaß die Geschichte, bis mir ‚Other Poeple‘ als CD in die Hand fiel. Inzwischen war Wheeler gestorben, ich kaufte das Album und war beeindruckt“. Weiterhin in Kontakt mit den Kollegen vom Hugo Wolf Quartett, entstand daraufhin im gemeinsamen Gespräch die Idee, die Musik dieser ungewöhnlichen Aufnahme in Kooperation mit dem Wiener Konzerthaus wieder aufzuführen. Die unmittelbare Umsetzung allerdings erwies sich als Detektivaufgabe. Zwar hatten die Musiker des Hugo Wolf Quartetts noch die Noten ihrer Stimmen. Die Vorlagen für Klavier und Trompete hingegen hatte Wheeler mitgenommen, und da inzwischen auch John Taylor gestorben war, galt es den Forschergeist der Beteiligten zu aktivieren.

Doch jemand wie Lorenz Raab wächst mit den Herausforderungen und so wurde ein Termin für die Wiederaufführung der Musik im Wiener Konzerthaus festgesetzt. Und für die Partien John Taylors konnte mit dem Pianisten Martin Reiter ein herausragender Kollege der österreichischen Jazzszene gewonnen werden, dessen stilistische Ausdrucksvielfalt sowohl den improvisierenden wie den komponierten Passagen gerecht wird. Verknüpft mit Raabs eigener, musikalischer umfassender Klangvorstellung, die sich aus den Erfahrungen als erster Trompeter der Wiener Volksoper ebenso speist wie aus zahlreichen modernen und kammerjazzigen Bandprojekten, entsteht auf diese Weise eine Hommage an zwei prägenden Gestalten der vergangenen Musikjahrzehnte, deren improvisierende Offenheit einst in „Other People“ einen neuen Fokus gefunden hatte.
Ralf Dombrowski