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Pressetext

 

Von Albert Hosp Ö1

Fröhliches Wurzel-Ziehen!

 

Vast potential – klingt nach selbstbewusster Ansage.

Vast potential – mit diesen Worten wird jedoch oft eine freundlich-hinterlistige Absage eingeleitet. „Ihr habt großes Potential!“ Und das unausweichliche „…aber….!“ hängt schon in der Luft.

„Ihr habt großes Potential, aber mit Zither und Trompete, nun ja, hm, äh, das ist … irgendwie … unsexy?!“

 

Zugegeben: Zither und Trompete – das verheißt zunächst nicht viel, das klingt eher nach Unmöglichkeiten. Das beigefügte Wort „Elektronik“ verprüht auch nicht viel Hoffnung. Zither und Trompete –  das kann sich alles irgendwie nicht ausgehen, kürzer gesagt, das kann nicht gut gehen. Das riecht nach rot-weiß-kariertem Tischtuch oder Hemdenstoff.

Am ehesten „geht“ vielleicht eine Stubenmusik, aber nur wenn der Trompeter echt leise spielt, bitte.

 

Nichts da. Diese Zither hier ist ein ziemlich lässiges Multifunktions-Gerät, bietet alles zwischen schmutziger E-Gitarre und blitzsauberem minimal-pizzicato-Orchester. Mit dieser Zither, wie sie Christoph Dienz nun schon seit Jahren spielt, würde Clint Eastwood, wäre er noch mal jung, gute Figur machen.

Lorenz Raab spielt die einsamste Trompete der Welt. Wüssten wir nicht, über welch frohe Natur er verfügt, wir würden ihn permanent trösten wollen.

An diesem Ton hätte (man soll sich trauen, große Vorbilder zu haben!) Miles Davis seine reine Freude.

Raabs Spiel ist aber vor allem eines: Dauerhaft. Er hat eine Art, den Bogen der Töne so weit zu spannen, dass wir die Übersicht verlieren. Wo war nochmal der Anfang? Gut so, wenn wir uns verlieren dürfen.

 

So höre ich mir zuerst einmal den letzten Track an. „Hinterland“. Da öffnet sich eine Ebene, irgendwo im Nirgendwo, karg möbliert, wie es Ebenen so an sich haben. In diese Ebene hineingepflanzt sind einzelne Kakteen, kleine, stachelige, aber sehr grüne und sympathische Wichte – das sind die Töne der Zither. Über diesen schwebt ein Vogel – das ist die Trompete.

 

Dann dürfen die Unterwasserfische durch mein Gehör schwimmen. Naturbilder sind schnell zur Hand, und es heißt vorsichtig sein, dass einem die Metaphern nicht entgleiten. Aber diese 3(?) Minuten vermitteln ohnehin kein idyllisches Korallen-Gewusel, sondern eher einen Tauchgang ohne Sauerstoffflasche. Einatmen, hinein, und schwimmen schwimmen schwimmen; die Sache wird intensiver und (geht das unter Wasser?) heißer, die Zither heizt jedenfalls gehörig ein, die Trompete singt eine endlose Melodie, die irgendwann alles melodische verliert und wie ein einziger siegreicher Aufstieg zurück an die Wasseroberfläche emporsteigt.

Luft holen.

 

und so weiter:

Perlentaucher – unschuldiges Augenzwinkern.

hey lo – einsam schaukelnde Ballade.

Flora – unsagbar kindlich schön.

 

Jedes Stück eine Erfahrung.

 

Raab, der Volksopern-Orchester-Solist, der diverse-Bands-Leader, und Dienz, der ex- und trotzdem-immer-wieder-Fagottist, der Komponist, der Knödelkoch, packen das Übel der skeptischen Erwartungshaltung an der Wurzel („Raadix“!). Ihre Sounds sind komplett unfolkloristisch, nicht die leiseste alpine Regung entkommt ihnen. Ihre Kompositionen huldigen der Sparsamkeit, das Spektrum ihrer Lautstärke spielt sich zu 2/3 zwischen pianissimo und piano ab, die Spielanweisungen lauten „so zart wie möglich“ oder „mit großer Behutsamkeit“. Ihre musikalische Haltung ermöglicht uns, sich zwischen sie zu setzen, ihr Duo mit uns zum Halbkreis zu formen, hören und spielen zusammenkommen zu lassen.

 

Raab und Dienz: Die zwei haben schon genug Konzerte gespielt, dass oben geäußerte Zweifel, ob sich die Besetzung „ausgeht“, aufs schönste pulverisiert wurden, aufgerieben in den fein mahlenden Ostinati von Dienzens Zither, weggeblasen von den zarten Tönen der Raabschen Trompete.

Von Albert Hosp Ö1